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Faktencheck #9: “Die Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) schadet den Menschen in Entwicklungsländern”

FALSCH!

Isabelle Chevalley

“Was wird das Ergebnis sein? Wir werden kein einziges Kind von den Feldern holen. Letztlich werden wir die Armut der afrikanischen Bauern vergrössern.”

Isabelle Chevalley, Nationalrätin GLP

Quelle: tagblatt.ch

Entwicklungsökonom*innen sind sich einig: Die Konzernverantwortungs-Initiative ist das richtige Mittel zum richtigen Zweck.

Schweizer Konzerne investieren in Geschäfte und besitzen Tochterfirmen auf der ganzen Welt. Ihre Investitionen im Ausland sind Ausdruck davon, dass Schweizer Konzerne fähig sind, ihre wirtschaftlichen Freiheiten und die Chancen der Globalisierung zu nutzen. Zur Freiheit, global zu wirtschaften, gehört es aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Die Agenda 2030 der UNO sieht vor, dass der Privatsektor einen Beitrag zur Armutsbekämpfung und zur nachhaltigen Entwicklung leisten soll. Entwicklungsökonom*innen sind sich einig: Nur wenn Konzerne die globalen Mindeststandards zum Schutz von Mensch und Umwelt einhalten, tragen ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zu deren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bei. Offensichtlich sehen das auch zahlreiche afrikanische und südamerikanische Entwicklungsländer so: Sie fordern nämlich seit einigen Jahren rechtlich bindende Menschenrechtsauflagen für Konzerne. Würde die Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) also wirklich dazu führen, dass sich Firmen aus den Entwicklungsländern zurückziehen, wie Gegner*innen gerne behaupten? Wirtschaftsexpert*innen sagen: Nein.

1. Professor*innen der Entwicklungsökonomie halten den KVI-Ansatz für wirksam

15 Professor*innen der Entwicklungsökonomie brachten in einem kürzlich veröffentlichten Statement zur KVI ihren Konsens über die wichtige Rolle der Wirtschaft für die Entwicklung ärmerer Länder zum Ausdruck: “Die Privatwirtschaft ist ein entscheidender Motor der Entwicklung und der Armutsbekämpfung – aber nur, wenn dabei grundlegende Menschenrechte wie der Schutz von Leib und Leben gewährleistet sind und keine groben Verletzungen des natürlichen Lebensumfeld damit einhergehen, die die zukünftigen Einkommensmöglichkeiten der Menschen erheblich beeinträchtigen.” 

Einen Abzug von Schweizer Firmen aus Entwicklungsländern aufgrund der KVI halten die Wirtschaftsexpert*innen aufgrund der Kosten-Nutzen Abwägung für unrealistisch. Denn es sei für Konzerne im Zweifelsfall kostengünstiger, ihre Geschäftsprozesse der KVI anzupassen und die Sorgfaltspflichten wahrzunehmen, als ihren Standort in ein anderes Land zu verlegen: “Schon kleine, kostengünstige Massnahmen können in Entwicklungsländern teilweise erhebliche Verbesserungen der sozialen und Umweltsituation erzielen. Angesichts der hohen Kosten einer Standortverlegung ist daher nicht mit einem Rückzug von Schweizer Konzernen aus Entwicklungsländern zu rechnen, wenn sie durch die Konzernverantwortungsinitiative angehalten werden, solche Massnahmen umzusetzen. Zu rechnen ist vielmehr damit, dass diejenigen Unternehmen, die sich bisher tatsächlich schwerwiegende Verstösse gegen Menschenrechte und Umweltstandards haben zuschulden kommen lassen, zukünftig gewisse Anpassungen vornehmen werden, um zumindest den Minimalkriterien gerecht zu werden.“

Laut Expert*innenmeinung ist die KVI also durchaus wirksam, um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards durch Schweizer Konzerne im Ausland zu erreichen: “Wir sind daher der Überzeugung, dass die Konzernverantwortungsinitiative ein geeignetes Instrument ist, um sicherzustellen, dass Aktivitäten von Schweizer Unternehmen in Entwicklungsländern entwicklungsfördernd und nicht entwicklungshemmend wirken.” Das ganze Statement findest du hier.

2. Investitionen werden durch die KVI gesichert und nicht gefährdet

Dass Schweizer Konzerne ihre Investitionen in Entwicklungsländern zurückziehen oder im Ausland tätige Tochterfirmen verkaufen würden, wenn sie die Einhaltung der globalen Mindeststandards zu Menschenrechten und Umweltschutz prüfen müssten, ist also äusserst unwahrscheinlich. Eine solche Annahme lässt einerseits die alltäglichen Bemühungen und gängige Praktiken zur Einhaltung von Mindeststandards ausser Acht, die Schweizer Konzerne schon heute leisten. Andererseits ignoriert sie, dass Unternehmen über ihre Investitionen aufgrund einer Vielzahl von Kriterien entscheiden. Dazu gehören die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, lokalem Know-How und natürlichen Ressourcen sowie die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Investitionsland (Vertragssicherheit, wirtschaftliche Attraktivität, Zugang zu neuen Märkten etc.). Durch die stärkere Rechtssicherheit, welche die KVI mit sich bringt, würden Investitionen im Ausland eher zusätzlich gesichert, statt gefährdet.

Ebenfalls unbegründet ist die Behauptung, dass Schweizer Konzerne ihre lokalen Lieferanten “fallen lassen” würden, falls diese nicht in der Lage wären, die globalen Mindeststandards einzuhalten. Denn nicht die Zulieferer müssen die Sorgfaltsprüfung durchführen, sondern nur der Mutterkonzern. Und diese Sorgfaltsprüfung beinhaltet nur die eigenen Prozesse des Mutterkonzerns, also beispielsweise, wie mit den eigenen Zulieferern umgegangen wird. Eine Haftung des Konzerns folgt nur im Falle einer Nicht-Erfüllung der Sorgfaltsprüfung, unabhängig davon, welche Schäden tatsächlich durch Tochterfirmen oder kontrollierte Zulieferer entstanden sind. Denn nicht das Ergebnis muss vom Konzern garantiert werden, sondern nur der Prozess – und dies ist in Entwicklungsländern genauso gut möglich wie in allen anderen Ländern. 

3. Menschenrechte werden durch die KVI gestärkt und nicht geschwächt

Den Initiant*innen eine Schwächung von Menschenrechten vorzuwerfen, da bei Annahme der KVI angeblich “menschenrechtsverachtende” Firmen aus China, Russland oder den Golfstaaten in die Lücke springen würden, welche Schweizer Firmen bei einem potenziellen Rückzug hinterliessen, ist absurd. Dass es ausländische Konzerne gibt, die Mindeststandards für Mensch und Umwelt nicht einhalten, ist richtig. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass auch Schweizer Konzerne sich nicht an Mindeststandards halten müssen. Denn dies wäre wie zu argumentieren, dass man einer Mitarbeiterin, die täglich 20 CHF aus der Kasse stiehlt, lieber nicht kündigt, weil ihr Nachfolger möglicherweise täglich 50 CHF aus der Kasse stehlen könnte. Eine absolut untragbare und absurde Logik, mit der die Gegner*innen Verwirrung stiften möchten.

Fazit

Entwicklungsökonom*innen sind sich einig, dass die KVI das richtige Mittel zum richtigen Zweck ist. Denn nur wenn Konzerne die globalen Mindeststandards zum Schutz von Mensch und Umwelt einhalten, tragen ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bei.